An dem erstmals von der Naumburger SPD veranstalteten Bürgerforum nahmen rund 30 Besucher teil. Anwesend war auch der Kandidat für die Landratswahl am 25. Januar nächsten Jahres Uwe Schmidt. Es ging gleich zweimal um das Thema „Gerechtigkeit“.
Bernd Ritter, Ortsvorsteher von Altenstädt, berichtete über die ungleiche Belastung von Grundstückseigentümern bei der Heranziehung zu Straßenbeiträgen. Er wies darauf hin, dass der Bau und die Unterhaltung von Bundes-, Landes- und Kreisstraßen aus Steuermitteln finanziert werde, während nur bei den Gemeindestraßen die Bürger zwischen 25% und 75 % der Kosten direkt aufbringen müssten. Die unterschiedlichen Prozentsätze hingen davon ab, ob es sich um Durchgangs- oder Anliegerstraßen handele. Erklären könne man das kaum jemanden, so Ritter.
Darüber hinaus bestimme sich die Beitragshöhe allein nach der Grundstücksgröße. Die Lage und Nutzung oder gar die Einkommensverhältnisse der Grundstückseigentümer spielten keine Rolle. Ungerechtigkeiten, Rechtsstreitigkeiten und Stundungsanträge, verbunden mit einem hohen Verwaltungsaufwand, seien die Folge.
Dies alles wäre nach Ansicht des Ortsvorstehers vermeidbar, wenn auf die Erhebung von Straßenbeiträgen nach dem Vorbild anderer Kommunen ganz verzichtet würde. Alternativ sei es denkbar, die Grundsteuern zu erhöhen und zweckgebunden für den Straßenbau einzusetzen. In der anschließenden Diskussion fand der Vorschlag breite Akzeptanz.
Das zweite Thema befasste sich mit der unterschiedlichen Finanzausstattung der Städte und Gemeinden. Erster Stadtrat Udo Umbach machte deutlich, dass es kein Zufall sei, dass die am höchsten verschuldeten Kommunen an den Rändern des Landkreises Kassel lägen. Aufgrund der rückläufigen Einwohnerentwicklung sei zu befürchten, dass die Kluft zwischen armen und reichen Kommunen noch größer werde.
Die wichtigsten Einkommensquellen der Gemeinden seien der Anteil an der Einkommensteuer, die Gewerbesteuern und die Schlüsselzuweisungen des Landes. Hier könne es nicht sein, dass Naumburg einwohnerbezogen beispielsweise nur über 60 % des Einkommensteueranteils der Gemeinde Ahnatal verfüge, so Umbach.
Noch gravierender verhalte es sich bei der Gewerbesteuer. Während die Gemeinde Niestetal hier im Jahr 2007 6,1 Mio. Euro eingenommen habe, hätte das vergleichbare Steueraufkommen in Naumburg bei 345.000 Euro gelegen.
Der Erste Stadtrat betonte ausdrücklich, keine Neiddebatte unter den Städten und Gemeinden lostreten zu wollen, aber zufällige Standortvorteile oder die Nähe zur Großstadt Kassel dürften nicht dazu führen, dass in den reichen Gemeinden Jugendräume, Seniorenbegegnungsstätten oder Büchereien in Millionenhöhe ausgebaut würden, während man in Naumburg für die Beschaffung von Gardinen für ein Gemeinschaftshauses einer Sondergenehmigung durch die Kommunalaufsicht bedürfe.
Umbach führte weiter aus, dass die großen Gemarkungsflächen und die Dezentralität der ländlichen Gemeinden die Situation noch verschärften. Im Gegensatz zum Ballungsraum sei es hier schwieriger, die Infrastruktur aufrecht zu erhalten. Als Beispiel nannte er die Stadt Vellmar, die zur Sicherstellung des Brandschutzes nur eine Feuerwehrwache benötige und 78 Einsatzkräfte ausstatten müsse. Demgegenüber unterhalte Naumburg fünf Feuerwehrgerätehäuser und habe 158 Feuerwehrleute. Ähnliche Beispiele ließen sich bezüglich der Kindergärten, Gemeinschaftshäuser, Schwimmbäder, Wasserversorgung oder Kanalisation nennen.
Udo Umbach und Vizelandrat Uwe Schmidt stimmten darin überein, dass gleiche Lebensverhältnisse in den Städten und Gemeinden nur durch eine Änderung der Einkommensteuerverteilung und der Schlüsselzuweisungen erreicht werden könnten. Hierfür seien Gesetzesänderungen durch den Bund und das Land Hessen erforderlich. Schmidt sah dabei nicht nur die Unterschiede innerhalb des Landkreises, sondern verwies auch auf das starke Gefälle zwischen Nord- und Südhessen.
In bescheidenem Maße könne aber auch der Landkreis ausgleichend wirken, so Schmidt, der je nach Finanzsituation der Gemeinden unterschiedliche Schwerpunktsetzungen bei der Förderung des öffentlichen Personenverkehrs, der Sporthallenbereitstellung und bei den Zuschüssen aus dem sogenannten Kreisausgleichsstock für möglich hielt.
Um die Interessen des „flachen Landes“ besser zu artikulieren, schlug Udo Umbach abschließend eine Allianz der finanzschwachen und benachteiligten Kommunen vor. Nur so könne man auf die dramatische Entwicklung aufmerksam machen und die Politik zum Handeln bewegen.